1.500km Reichweite, 5 Minuten Laden, 3 Mio Kilometer Laufleistung?
Nichts beflügelt die Fantasie von uns E-Auto-Fans mehr als Wunderakkus, die Reichweiten von z.B. 1.500km, Ladezeiten von 5 Minuten oder weniger und eine Haltbarkeit von z.B. 3 Millionen Kilometern versprechen.
Wenn du jetzt das neueste Video über einen Wunder-Akku aus China erwartest, dann wirst du überrascht.
Es geht darum, wie du erkennst, ob der Elektroauto-Wunder-Akku von dem dir vorgeschwärmt wird, ein Wunder oder nur heiße Luft ist.
Denn meist werden 5 Punkte bei der Vorstellung verschleiert, die eine schnelle Beurteilung möglich machen.
Hallo ich bin Dirk Henningsen und fahre seit 2017 nur Elektroautos und bin selber immer wieder den Wunder-Akkus hinterher gerannt und habe mir ausgemalt was sie in meinem BMW i3 mit einer Reichweite von 150km im Alltag und Ladezeiten von 40 Minuten an der Schnellladesäule für Wunder vollbringen könnten.
Heute, fast 8 Jahre, haben sich die Hochvoltakkus erstaunlich schnell weiter entwickelt und sind auch in so wichtigen Punkten wie Preise erheblich schneller preiswerter geworden als ursprünglich prognostiziert.
Ich fahre einen Kia EV6, der in 18 Minuten von 10-80% lädt und auf der Autobahn 200 - 300km und in der Stadt sogar 500-600km weit kommt.
Doch es gibt nach wie vor kein E-Auto, dass die ich-fahre-tausend-Kilometer-am-Stück-mit-150km/h-über-die-Autobahn-Verbrennerfahrer zufrieden stellt und somit jede Diskussion im Keim ersticken würde.
Es gibt also noch genug Fantasie für Wunder-Akkus, auch wenn Smart mit dem #5 die Messlatte wieder noch höher gelegt hat. Sein 100kWh-Akku kann mit bis zu 400kW in der Spitze und in 15 Minuten von 10-80% geladen werden und lässt die Konkurrenz alt aussehen.
Am Beispiel des Smart #5 schauen wir uns die 5 Punkte an bei denen Akkuhersteller die wirklichen Performance-Daten ihres Wunder-Akkus verschleiern.
Erstens:
Zu Wunder-Akkus gehört eine Reichweite, die im besten Fall vierstellig, also die berühmten 1.000km lang ist. Nun ist ein hoher Energiegehalt erst einmal kein großes Problem, man muss die Batterie nur entsprechend groß bauen, die Herausforderung beginnt damit, sie in einen PKW zu verbauen, der dann auch noch maximal 3,5t wiegen sollte.
PKWs, also keine Pickups, gibt es aktuell mit maximal 118kWh großen Batterien, wie z.B. im EQS von Mercedes.
So sind maximal 690km Reichweite bei optimalen Bedingungen und 110km/h auf der Autobahn möglich.
Als Quelle kann ich hier die EV-Database empfehlen, den Link zu ihr findest du in der Beschreibungsbox, in der man z.B. nach Reichweite sortieren kann.
Um einen besseren Wert für den Wunder-Akku zu bekommen wird dann gerne mit dem WLTP-Wert, beim EQS z.B. bis zu 822km gerechnet, kommt der Wunder-Akku aus China, dann sogar mit dem noch unrealistischen chinesischen Verbrauchsermittlungsverfahren CLT. Das ist z.B. auch bei den 740km nach CLT beim Smart #5 der Fall.
Sprich. Bei der Reichweite kannst du für den 150-km/h-Autobahnfahrer gerne mal die Hälfte von der Wunder-Akku-Reichweite abziehen, um die Reichweite unter diesen Bedingungen zu kalkulieren.
Was auch häufig bei einer reinen Akku-Vorstellung nicht erwähnt wird, in welchem Auto dieser eingebaut wird bzw. in welcher Bauform die Verbrauchswerte ermittelt worden sind. In der Praxis kannst du davon ausgehen, dass es immer eine luftwiderstandsoptimierte Limousine und kein SUV oder gar Pickup war.
Je nach dem welche Autobauform dich interessiert, musst du also das Reichweitenergebnis auch noch modifizieren.
Zweitens:
Gerne wird bei der Ladeleistung eine Zeit von 5 - 10 Minuten genannt in denen dann einige hundert Kilometer Reichweite nachgeladen werden.
Besonders häufig nutzen das Akku- oder Autohersteller deren Ladekurve nur für kurze Zeit die Spitzenladeleistung hält, wie z.B. Tesla, Lucid und viele andere und nicht für längere Zeit.
Um erkennen zu können wie gut die Ladeleistung ist, brauchst du zum einen den Wert zur Spitzenladeleistung und zum anderen auch noch die Zeit des typischen Ladehubs von 10-80%.
Beim Smart #5 haben wir alle erforderlichen Werte. Wir wissen das er mit maximal 400kW die 100kWh-Batterie laden kann und von 10-80% 15 Minuten braucht. Das bedeutet er hat eine durchschnittliche Ladeleistung mehr als 280kW, da die 70kWh die in der viertel Stunde in die Batterie gehen weniger ist als der Lader abgibt.
Diese hohe durchschnittliche Ladeleistung deutet daraufhin, dass zwischen 10-80% sehr lange über 300kW geladen wird und die Ladekurve eher flach ist.
Die Werte sind also wirklich beachtlich, wenn man z.B. andere Fahrzeuge wie den Audi q6 etron oder auch den Porsche Taycan vergleicht, die eine ähnlich große Batterie haben aber 21 bzw. 17 Minuten für den vergleichbaren Ladehub brauchen.
Drittens:
Wird nur der Wunder-Akku ohne Fahrzeug vorgestellt ist er häufig noch nicht serienreif und gibt es in vielen Fällen noch gar keinen Autohersteller der ihn einbauen will.
Solche Wunder-Akkus hake ich gleich als unrealistisch ab, denn wie ich von meinem Bekannten aus der Batterieforschung weiß ist im Labor und an irgendwelchen technischen Hochschulen vieles möglich, was dann den Weg in die Praxis nicht findet und niemals produziert wird.
Viertens:
Das gleiche gilt für die fehlende Angabe zur Haltbarkeit.
Es ist kein Problem heute Akkus mit aberwitzigen Ladeleistung zu laden. Extrem hohe Ladeleistungen aber über tausende Ladezyklen ohne eine übermäßige Degradation zu halten ist ein ganz anderes Thema.
Aktuelle Batterien peilen 3.000 Ladezyklen an, um so in Kombination mit Alltagsreichweiten von 500km 1,5 Millionen Kilometer Laufleistung zu bieten.
Fünftens:
Entscheidend ist für die Einordnung als Wunder-Akku auch die Größe des Akkus, also wie viel Energie er speichern kann.
Der Akku meines Kia EV6 stellt 73,4kWh Energie zur Verfügung und lädt somit in den 18 Minuten von 10-80% gut 51kWh nach, so dass er eine durchschnittliche Ladeleistung von gut 171kW hat.
Der Smart #5 lädt in 15 Minuten 70kWh, also fast 20kWh mehr nach und ist somit deutlich besser als der EV6-Akku, ja sogar besser als der vom Taycan oder q6 etron die 17 bzw. 21 Minuten für die gleiche Energiemenge brauchen.
Ist somit der Akku vom Smart #5 ein Wunder-Akku?
Nein, eher nicht. Aber er ist ein Akku der neuen Generation an dem sich andere wie Porsche oder Audi messen lassen müssen.
Bisher haben sie ihre längeren Ladezeiten beim Ladehub von 10-80% immer mit der größeren Batterie gekontert, wenn ihre Autos mit denen von Hyundai / Kia und 18 Minuten verglichen worden sind. Das ist nun beim Smart #5 nicht mehr möglich.
Darüber hinaus können die Autobauer mit einem optimierten Thermalmanagement so manchem Akku noch etwas "Wunder" einhauchen, da zu geringe oder zu hohe Temperaturen beim Ladevorgang die Ladeperformance erheblich beeinflussen.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist natürlich auch die Effizienz des Fahrzeugs und hier schneidet der Smart #5 alleine schon durch seine Bauform schlechter als der Taycan ab und sehr wahrscheinlich auch schlechter als der q6 etron ab.
Dadurch können Audi und Porsche aus der gleichen Batteriegröße mehr Reichweite und somit mehr nachladbare Kilometer anbieten.
Was mich zum Schluss noch interessiert. Von welcher Wunderbatterie hast du zuletzt gehört? Schreibe es gerne in die Kommentare.
Ich freue mich, wenn wir uns im nächsten Video wiedersehen.
Bis dann. Dein Dirk Henningsen
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